Handlungsempfehlung 5: Programm für Dialog und frühe Beteiligung

Dialog- und frühe Beteiligungsangebote

Handlungsempfehlung 5 Titelbild
Publikation
Wind

# Themen Akzeptanz, Öffentlichkeitsbeteiligung

Stand 01.09.2021

Handlungsempfehlung

Umsetzungsebene

Bundeseben, Landesebene

Hintergrund

Wie ein Windenenergievorhaben vor Ort wahrgenommen wird, ist wesentlich eine Frage der Kommunikation. Gute Kommunikation und Mitgestaltungsmöglichkeiten sind daher kein schmückendes Accessoire, sondern für die Akzeptanz eines Projektes essenziell. In Wirtschaft und Gesellschaft wird dies zunehmend anerkannt. Immer wieder wird Windenergieprojekten jedoch Nachholbedarf in den Bereichen Transparenz, Dialog- und Beteili- gungskultur attestiert. Grundlagen gelingender Kommunikation sind Fingerspitzengefühl und Expertise. Konfliktpotential sollte früh erkannt und auch bei gegensätzlichen Interessen ein gutes Miteinander bewahrt werden. Dafür braucht es eine überparteiliche professionelle Begleitung und Moderation der jeweiligen Verfahren. Dies kostet Geld und muss auch entsprechend gewollt werden. Das ist nicht überall der Fall; z. T. wird neuen kommunikativen Methoden mit Skepsis begegnet. Auch fehlende finanzielle oder personelle Ressourcen und eine mögliche Wahrnehmung von Windenergie als konfliktbehaftet erschweren eine öffentliche Auseinandersetzung. Entscheidungsträger vor Ort befassen sich daher häufig erst mit Dialog und Beteiligung, wenn der Handlungsbedarf groß und die Spielräume klein sind – dann, wenn Konflikte bereits öffentlich ausgetragen werden. Deeskalation durch Dialog ist hier oft kaum mehr möglich. Zudem sind windenergiekritische oder finanzschwächere Kommu- nen mit bloßen Appellen kaum für die Umsetzung freiwilliger Dialog- oder Beteiligungsverfahren zu gewinnen. Frühzeitige Kommunikationsangebote vor Ort können entscheidend dazu beitragen, die mit der Windener- gie verbundenen Gestaltungs- und Wertschöpfungspotentiale nutzen zu können. Dafür sollte ein Projekt gut erklärt und über Dialogverfahren und Öffentlichkeitsbeteiligung möglichst gut an die jeweiligen Bedingungen angepasst umgesetzt werden.

Ziel

Dialog- und frühe Beteiligungsangebote tragen zu vor Ort verstandenen und gut akzeptierten Windenergie- projekten bei. Diskussionen vor Ort werden versachlicht, Ziele und Gestaltungsspielräume definiert und die lokale Wertschöpfung möglichst im Sinne der betroffenen Ortsansässigen maximiert.

Beschreibung

Initiiert werden Dialogverfahren vor Ort durch intermediäre, überparteiliche Akteure, bspw. Landesenergie- agenturen, die Kommunen selbst oder Träger öffentlicher Belange (vgl. dazu Handlungsempfehlung 1). Auf Ebenen des Bundes und/oder der Länder werden Förderprogramme installiert, die die Inanspruchnahme professioneller Dialog- und ggf. auch Mediationsdienstleistungen auf lokaler Ebene unterstützen. Kommunen sollten für deren Nutzung kein administrativer Antragsaufwand und keine Kosten entstehen. Voraussetzung für gelingende Dialog- oder informelle Beteiligungsverfahren ist die Bereitschaft zentraler Akteure, sich konstruktiv an den Verfahren zu beteiligen und diese zu unterstützen. Um die Bereitschaft zu ermöglichen, sollen diese Akteure angesprochen, beraten und bei einer partizipativen Umsetzung von Windenergieprojekten unterstützt werden (Kommunale Ämter und Behörden, Träger der Regionalplanung, Projektentwickler). Dialog- und Beteiligungskonzepte müssen jeweils spezifisch an den Gegebenheiten vor Ort ansetzen. Vorbe- reitende Akteurs- und Themenfeldanalysen sind daher grundlegend. Ebenso wichtig sind Transparenz und Kommunikation auf Augenhöhe. Dialogprogramme dürfen nicht als Überzeugungs- oder Werbemaßnahmen instrumentalisiert werden. Die Dialog- und Beteiligungsmaßnahmen sollten bei Bedarf auch durch jeweils passende externe Dienstleister umgesetzt werden können.

Stärken

Gute Kommunikation und Beteiligung vor Ort können von außen proaktiv initiiert und unterstützt werden. Frühe Kommunikation kann Konflikteskalation verhindern und Mitgestaltung ermöglichen. Eine professionelle Umsetzung informeller Verfahren ist nicht von den Eigenmitteln der Kommunen abhängig. Die Erwünschtheit von Dialog- oder Beteiligungsverfahren zu Windenergievorhaben wird deutlich und damit der Stellenwert informeller Instrumente insgesamt gestärkt. Ein Wandel der Verwaltungs- und Unternehmenskultur wird unterstützt.

Schwächen

Die Einsicht in die Notwendigkeit und der Wille zu guter Kommunikation können nicht verordnet werden. Nach der Flächenakquise stehen wesentliche Entscheidungen bereits fest und die Gestaltungsspielräume sind entsprechend gering. Wenn sich die Dialogarbeit auf die Erläuterung von Projekten beschränkt, ist die Wirkung vergleichsweise gering. Auch überzogene Kritik und Gruppen ohne Kompromisswillen können Aufmerksamkeit erhalten.

Chancen

Eine professionelle Gestaltung und neutrale Moderation von Verfahren können als Standard etabliert werden. Gestaltungsspielräume vor Ort können gewahrt und genutzt werden. Projekte können im Sinne lokaler Interessen umgesetzt werden. Projekte können konfliktfreier und damit effizienter realisiert werden. Windenergieanlagen können nach Inbetriebnahme als Chance zur Entwicklung des ländlichen Raumes empfunden werden. Nach der Inbetriebnahme ist vor dem Repowering: Auch hier kann beteiligt und ggf. aus der ersten Projektphase gelernt werden, frühzeitiges Handeln und Kooperation der Flächeneigner vorausgesetzt.

Risiken

Kommunikation vor Ort bewirkt noch keine lokale Wertschöpfung. Falsche Erwartungen oder Scheinbeteiligung können die Wirkung von Verfahren konterkarieren und den Widerstand verstärken. Unzureichende Kommunikation kann Probleme auch verschärfen.

Umsetzungsbeispiele

Die Angebote des Bürgerforums Energiewende Hessen und des Forums Energiedialog Baden-Württemberg werden auf Initiative der Kommunen hin aktiv. Zu den Maßnahmen zählen: Beratung kommunaler Entschei- dungsträgerinnen und Entscheidungsträger, Information der Öffentlichkeit, Organisation und Moderation von Veranstaltungen, Initiierung von Kleingruppenformaten sowie Konfliktbegleitung und -mediation. Das Bürgerforum Energiewende Hessen (BFEH) unterstützt Kommunen beim Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern zu kommunalen Klimaschutzkonzepten und Erneuerbaren Energie-Projekten. Das Angebot setzt auf Konfliktbegleitung und -vermeidung. Charakteristisch für die Arbeit des BFEH ist eine Kombination von technischem und kommunikativem Wissen. In Einzelfällen können auch Fach- oder Rechtsberatungen initiiert werden. Konzeptionell zielt der Ansatz darauf, Grundsatzdiskussionen von lokalen Fragestellungen zu trennen. Dazu wird zwischen Faktenchecks, die sich mit landesweit übertragbaren, technischen Fragestellungen auseinandersetzen, und Unterstützungsleistungen für gute Dialoge vor Ort unterschieden. Koordiniert von der Landesenergieagentur werden dazu im Rahmen des BFEH Beratungsdienstleistungen und Dialogformate von externen Dienstleistern vor Ort umgesetzt.

Das Forum Energiedialog (FED) ist ein vom Land Baden-Württemberg finanziertes Programm zu Dialog und Konfliktbegleitung. Das FED wird vor Ort durch externe Dialog-Dienstleister vertreten und umgesetzt. Ziel des Landesprogramms ist es, bestehende Konflikte zu Erneuerbaren Energie-Projekten vor Ort zu reduzieren. Zudem soll die Handlungsfähigkeit von Kommunen, die von derartigen Konflikten betroffen sind, gestärkt und die vor Ort Verantwortlichen aktiviert werden. Darüber hinaus sollen der Bevölkerung Wissen zu den jeweiligen Energieträgern vermittelt und den damit verbundenen Planungs- und Genehmigungsverfahren erklärt werden.

Weiterführende Informationen:

  • FA Wind 2017: Frühe Öffentlichkeitsbeteiligung im Kontext der Windenergie. Von der Theorie in die Praxis.
  • LEA Hessen (2021): Bürgerforum Energiewende Hessen. Erfolgreich Dialog in den Kommunen. Infobroschüre.
  • LEA Hessen (2021): Bürgerforum Energiewende Hessen. Erfolgreich Dialog in den Kommunen. Infoflyer.
  • Forum Energiedialog BW (2019): Die Energie im Dorf lassen. Einblicke in die Arbeit des Forum Energiedialog Baden-Württemberg. Broschüre. Infobroschüre. /li>
  • Forum Energiedialog BW (2019): Energiewende begleiten Kommunen unterstützen. Infoflyer.